Ein halbes Jahrhundert im Haus Kreuzstraße 62
80-jähriger Mieter kann lebenslang wohnen bleiben
Die RN berichtet über unseren langjährigen Mieter, der uns während der Aufstockung und Sanierung des Hauses treu geblieben ist und tatkräftig zur Seite stand
Den vollständigen Bericht gibt es hier zu lesen:
Schon von weitem fällt das Mehrfamilienhaus dem Betrachter ins Auge: die schwarz-weiß-rote Fassade, der über 100 Jahre alte Giebel in Kombination mit moderner Architektur im aufgestockten Obergeschoss, der schöne Erker und die brandneuen Fenster. Auch im Innern des Gebäudes begegnen sich das Einst und Jetzt – historische Attribute im Treppenhaus und modernisierte und von Grund auf sanierte Eigentumswohnungen auf jeder Etage. Hier hat die Neuzeit Einzug gehalten. Wer aber die Erdgeschosswohnung rechts betritt, der glaubt, die Zeit sei stehengeblieben: Dort lebt Mieter Hans-Dieter Finke – inmit-ten seiner Erinnerungen aus 49 Jahren Wohnen im Haus Kreuzstraße 62.
Wohin der staunende Betrachter auch im Heim des 80-Jährigen blickt: Überall gibt es etwas zu entdecken, Möbel, Gegenstände, Antiquitäten und Andenken in Hülle und Fülle oder Wände voller Fotos. Und zu allem weiß Hans-Dieter Finke Ge-schichten und Anekdoten aus fast fünf Jahrzehnten zu erzählen. Spannende und lustige, aber auch traurige – seit nunmehr 17 Jahren ist er Witwer.
Mit Ehefrau Ingrid und Matthias, dem damals vier Jahre alten Erstgeborenen, ist Hans-Dieter Finke 1970 vom eher ruhigen Dortmunder Vorort Eving ins weitaus quirligere Kreuzviertel gezogen. 78 Quadratmeter, drei Zimmer, Küche, Diele, Toilette und ein kleines Gärtchen. „Meine Frau wollte das“, erinnert sich der langjährige Mieter an den Umzug, den er zu keiner Sekunde bereut hat. Als Raumausstatter und Schaufenstergestalter eines großen Möbelgeschäfts in der Dortmunder Fuß-gängerzone brachte er viel handwerkliches Geschick mit: „Als wir die Wohnung gemietet haben, gab es hier nur rohe Wände. Ich habe alles selbst renoviert.“ Am Anfang hatte die Familie kein Badezimmer: „Samstags kam eine Wanne in die Küche“, schmunzelt Hans-Dieter Finke. Das hat sich geändert – schon lange gibt es ein Bad, klein zwar, aber vollkommen ausreichend, auch als neuer Nachwuchs dazu kam. 1976 wurde Sohn Daniel geboren.
Gebohrt, gesägt, gestrichen und gemalt wurde auch in der Folgezeit, zu Recht stolz kann der Rentner beispielsweise auf die abgehängte Decke im Flur sein. Oder auf die Terrasse mit der bunt bemalten Wand, die durch die Küche betreten werden kann, und den Garten, den er hegt und pflegt und viel nutzt.
Gemeinsam gefeiert wurden auch die Geburtstage der Hausbewohner, Karneval ging es ebenfalls hoch her und es wurde das Tanzbein geschwungen – in der selbst eingebauten Kellerbar. Jeder hat etwas zu den Feten beigesteuert, Getränke, Speisen oder die Dekoration. Zu den Highlights jeder Feier gehörte das Dartspielen der Erwachsenen im Hausflur. Ein Kind hielt dann Wache, damit niemand versehentlich in die „Schusslinie“ lief. „Wir haben uns alle super verstanden“, erzählt Hans-Dieter Finke, „nie gab es Streit im Haus.“ Vor dem Haus spielte sich gelegentlich auch Sehenswertes ab: „Wir haben unsere Autos repariert, die Kupplung ausgetauscht, einen neuen Kotflügel eingesetzt, den Motor instand gesetzt. Das alles wäre heute nicht mehr möglich.“
Aus Gesundheitsgründen hat die frühere Vermieterin das Haus an die casa sogno GmbH verkauft, die wiederum das Objekt umbaute, aufstockte, vollständig sanierte und Eigentumswohnungen mit großzügigen Grundrissen schuf. Die Mietwohnung des Seniors ist unverändert geblieben, aber sie hat neue Türen, Fenster und Heiz-körper erhalten. Während der Umbauphase konnte er seine Wohnung weiter bewohnen, es wurde Rücksicht auf den Senior genommen, der sich aufgrund seiner Geschicklichkeit gelegentlich gerne nützlich machte und den Handwerkern zur Hand ging. Geblieben ist auch die Mieterin in der Erdgeschosswohnung links. Sie entschloss sich letztlich zum Kauf ihrer Wohnung und nutzt auch den Garten mit.
Die früheren Nachbarn aus den oberen Etagen, überwiegend Studenten, sind ausgezogen („wir schreiben uns gegenseitig zu Weihnachten“), neue Mitbewohner eingezogen. Allesamt nette Menschen mit vielen Kindern, wie der kinderfreundliche Hans-Dieter Funke sagt. Das Thema Familienfreundlichkeit lag der casa sogno GmbH bei Kauf und Umbau des Objekts besonders am Herzen. „Wir haben viel Wert darauf gelegt, familienfreundliches Wohnen im Kreuzviertel zu ermöglichen“, erläutert Leonard Sträter, Geschäftsführung. Darüber hinaus wurde Klaus-Dieter Finke zugesichert, dass er lebenslang in der Erdgeschosswohnung wohnen kann – eine Vereinbarung, die der Rentner von der casa sogno GmbH nun schwarz auf weiß hat.
So kann der 80-Jährige, auch wenn zu seinem Bedauern bereits viele alte Freunde aus der Nachbarschaft gestorben sind, seinen Lebensabend in gewohnter Umge-bung genießen, in seinem „Dorf“, wie er das Kreuzviertel bezeichnet: „Hier gibt es noch ein funktionierendes Nachbarschaftsleben“, strahlt er. Das Schwätzchen beim Einkaufen oder im Wartezimmer des Hausarztes gehören dazu, und auch die Fußballfans, die sich in und an dem gegenüberliegenden Lokal versammeln, wenn Borussia Dortmund spielt. „Wenn draußen nichts zu hören ist, dann hat der BVB das Spiel vergeigt.“
Was wünscht sich der Senior für die Zukunft? „Gesundheit, sonst nichts“, antwortet Hans-Dieter Finke. Das ist ihm von Herzen zu wünschen und auch, dass er noch viele gute Jahre in seinem vertrauten Terrain leben kann. Das ihm das gelingen wird, glaubt man sofort, so beeindruckend fit wie er mit seinen 80 Jahren ist, übri-gens genauso wie sein eineiiger Zwillingsbruder Lothar, dem er auch heute noch zum Verwechseln ähnlich sieht und mit dem er kürzlich die Borussen im Stadion angefeuert hat.
Das Wichtigste aber ist und bleibt die Familie: Seine beiden Söhne, die sich („zwei liebe Kerle“) rührend um ihn kümmern, und natürlich seine drei Enkeltöchter, 24, sieben und vier Jahre alt, die ihren Opa regelmäßig besuchen. Oder er sie. ... Sehen Sie mehr
